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Internetkontrollgesetz in Brasilien zurückgezogen Ralf Streck 09.11.2006

Das umstrittene Gesetzesvorhaben sah die persönliche Identifizierung für den Zugang zum Internet vor und drohte mit HaftstrafenDie Kommission für Verfassung und Justiz des Senats in Brasilien hat am Mittwoch den umstrittenen Gesetzentwurf 124/06 (1) noch vor seiner Debatte zurückgezogen (2). Er forderte die persönliche Identifizierung der Internetnutzer und drohte bei Nichtbeachtung mit Knaststrafen von einem bis zu vier Jahren.

Das Projekt des Sozialdemokraten Eduardo Azeredo (3) hatte Kritikstürme ausgelöst.Es war ein erstaunlicher Vorschlag des Senators Azeredo von der Sozialdemokratischen Partei Brasiliens ( PSDB (4)). Es hört sich populistisch erst einmal gut an, wenn man per Gesetz die Verbreitung von Viren, das Klonen von Kreditkarten oder den Diebstahl von Daten über das Internet unter Strafe stellt. Allerdings gibt es für diese Vergehen längst andere Strafgesetze. Erstaunlich war es deshalb, dass in dem Entwurf, welcher vor allem von Banken vorangetrieben wurde, ausgerechnet Vergehen gegen Menschenrechte wie Pädophilie oder Rassismus ausgenommen waren. Mit dem Gesetz wären alle Internetnutzer unter Generalverdacht gestellt worden. Unter Androhung von Haftstrafen bis zu drei Jahren hätte sich jeder gegenüber dem jeweiligen Provider mit Name und Adresse identifizieren müssen, bevor er eine Email verschicken, einen Chatroom besuchen oder einen Blog betreiben kann. Die Provider hätten die Daten zunächst prüfen müssen, bevor sie dem Nutzer ihren Service anbieten dürften. Diese Daten sollten mit den Verbindungsdaten drei Jahre für die Polizei vorgehalten werden. Die Provider sollten für die Echtheit der Daten haftbar sein und bestraft werden können, wenn der Gesetzesbrecher nicht ermittelbar wäre.

Das Projekt "modifiziert das Strafgesetz, das Militärgesetz und umfasst vieles, löst aber kein Problem", erklärte (5) Antonio Tavares, der Präsident der Vereinigung der Internetbetreiber in Brasilien ( Abranet (6)). Für Thiago Tavares, Präsident der Organisation Safernet (7), die gegen Pädophilie und Rassismus im Internet kämpft, handelt (8) es sich um ein "extremes Mittel", um gegen die Cyberkriminalität vorzugehen, das aber "keinen Effekt" habe.

Die Verbrecher würden sich dann über Provider einloggen, die nicht den Gesetzen Brasiliens unterlägen oder falsche Identitäten benutzen. Man dürfe nicht im Namen der Sicherheit das Internet opfern, das große Errungenschaften wie die Informationsfreiheit mit sich gebracht habe.Auch die Regierung wandte (9) sich gegen den Vorschlag, weshalb er schließlich keine Chance zur Umsetzung hatte. "Jeder Versuch", so Justizminster Márcio Thomaz Bastos, "die Meinungsfreiheit, vor allem in diesen turbulenten Zeiten, zu beschneiden, muss abgelehnt werden".


Allerdings wurde das Projekt nur zurückgezogen und seine Debatte in der Kommission vorerst auf unbestimmte Zeit verschoben (10). Als Ergebnis des Entrüstungssturms soll es nun eine öffentliche Anhörung geben, damit in der Zivilgesellschaft eine allgemeine Debatte über die Sicherheitsprobleme im Internet angeregt wird.

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