SAHRA WAGENKNECHT: WAHNSINN MIT METHODE - Finanzcrash und Weltwirtschaft

Auszüge:

Die Hedgefonds, die aggresivsten und spekulationswütigsten unter den Finanzinvestoren, verwalteten Ende 2007 weltweit Anlagegelder in Höhe von knapp 2,7 Billionen Dollar. Etwa 9000 solch profesioneller Wettbuden gibt es derzeit, wobei ständig neue entstehen und andere Pleite gehen. Die durchschnittliche Lebensdauer eines Hedgefonds liegt bei gerade vierzig Monaten, 60 Prozent aller Fonds verschwinden innerhalb von drei Jahren.

Zu den ganz großen Spielern in diesem Geschäft gehören etwa die britische Man Group, die allein über Anlagegelder von knapp 60 Milliarden verfügt, oder die Hedgefonds JP Morgan Asset Management und Goldman Sachs Asset Management, die Spekulationsgelder in Höhe von je etwa 35 Milliarden Dollar zu mehren suchen, und die, wie der Name schon sagt, mit den Finanzhäusern JP Morgan und Goldman Sachs eng verbunden sind.

An der Spitze der globalen Finanzmärkte stehen wenig mehr ls ein Dutzend internationaler Finanzkonzerne. Dazu gehören Universalbanken wie die Citygroup, die JP Morgan Chase und die Bank of Amerika, die schweizerische UBS, die britische HSBC oder auch die Deutsche Bank. Bis zur aktuellen Finanzkrise zählten zu den führenden Adressen, die an allen wichtigen Finanzplätzen dieser Welt präsent waren, auch die fünf großen Wall-Street-Broker Stearns, Merrill Lynch, Lehmann Broders, Morgan Stanley und Goldman Sachs.

Es gibt kaum einen Wirtschaftszweig, der sich global in so wenigen Händen konzentriert wie das Investmantbanking. Die zehn größten Finanzhäuser dieser Welt stehen bei rund 80 Prozent aller nichtbörslichen Derivate-Geschäfte auf der einen Seite des Deals. Drei Viertel aller Geschäfte mit Hedgefonds gehen über ihren Tisch. Mehr als ein Viertel des weltweiten Devisenhandels findet allein in den Computern der drei größten internationalen Banken statt.

Aber nicht nur die wichtigsten Global Player, sondern jede größere Bank, die etwas auf sich hält, beschäftigt heute ein ganzes Batallion von Tradern, die den lieben langen Tag nichts anderes tun, als zu versuchen, aus kleinsten Preis-, Kurs- oder Währungsschwankungen größtmögliche Gewinne zu ziehen. (...) verzockte ein einziger Händler durch spekulative Wetten ganze 6,3 Milliarden Euro. Der Betrag zeigt, in welcher Größenordnung selbst in einer mittelgroßen Bank spekuliert und gewettet wird.

(...) Innerhalb der Gruppe der HNWI (High Net Worth Individuals) gibt es allerdings noch einen besonders exklusiven Club: Die Ultra High Net Worth Individuals (UHNWI), die mehr als 30 Millionen Cash auf die Waage bringen - derzeit weltweit etwa hundertausend an der Zahl - sind der globale Geldadel und Hauptprofiteur des heutigen Finanzkapitalismus. 2007 ist das globale Finanzvermögen der HNWI um 9,4 % gestiegen während die UHNWI ihre Reichtümer im selben Jahr um 14,5 % steigern konnten. Aber auch innerhalb der Gruppe der UHNWI gibt es noch Differernzierungen. Etwa eintausend Milliardäre haben in dem Jahr, in dem die globale Finanz- und Wirtschaftskrise ihren Anfang nahm ihr Milliardenvermögen um 35 % erhöhen können. Das Vermögen einiger reicher Familien wird aberwitzig aufgebläht und ausgerechnet jene werden immer wohlhabender, die bereits heute mehr besitzen als sie, ihre Kinder und Enkel in den nächsten einhundert Jahren je konsumieren könnten. Die Mittel zum Zweck in diesem bizarren Spiel reichen von Lohndrückerei, Steuerdumping, Entlassungen und Betriebsschließungen über reduzierte Investitionen und minimierte Forschung bis hin zu ökonomischen oder auch militärischen Erpressung ganzer Länder, zu Agressionskriegen und Besatzerregimen im internationalen Maßstab. Ergebnisse sind schleppende Produktivitätsentwicklung, sinkende Lebensqualität von Millarden Menschen, brachgelegte oder zerstörte wirtschaftliche Kapazitäten, himmelschreiende soziale Gegensätze und zunehmende Armut.

Dieser Wahnsinn hat Methode, denn er folgt aus der Logik einer Wirtschaftsordnung, deren einziger Motor die Erzielung privater Profite ist. Über gewisse Zeiten und unter bestimmten Voraussetzungen hat dieser Motor dazu beigetragen, die Ökonomie produktiver und so die Gesellschaft insgesamt reicher zu machen, auch wenn dieser Reichtum seit jeher ungleich verteilt wurde. Der heutige Finanzkapitalismus hingegen hat die kreative und produktive Zerstörung im Schumpeterschen Sinn endgültig durch Zerstörung von Kreativität, Produktivität und Wohlstand ersetzt.

(Die Auszüge aus dem Buch wurden teilweise sinnemäß gekürzt)

 

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