Freiheit in der Repuklik
Prof. Dr. K. Albrecht Schachtschneider

VORWORT

Die Sorge um die Freiheit und deren Verwirklichung durch Recht und Staat ist seit dem Erscheinen meines Beitrages zur Freiheits-, Rechts- und Staatslehre "Res publica res populi. Grundlegung einer Allgemeinen Republiklehre", 1994, noch dringlicher geworden. Die ökonomische und politische Entwicklung folgt, verstärkt durch europäische und globale Integration, dem liberalistischen Freiheitsparadigma, das mit menschheitlichen Freiheitsprinzip, wie es in Art. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zum Ausdruck kommt:

"Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen."

unvereinbar ist. Freiheit ist die Idee der Menschheit des Menschen, des Menschen Würde. Sie ist für alle Menschen gleich. Die Menschen sind darum Brüder und Schwestern und teilen sich nicht in Herren und Knechte, Obrigkeit und Untertanen. Die Einheit von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit ist die Grundlage der Gemeinschaft der Menschen. Auf der Idee der Gleichheit in der Freiheit gründet alles Recht, dessen Wirklichkeit vom Staat abhängt, der Republik.

Rechtlichkeit des gemeinsamen Lebens ist der Frieden unter den Menschen, aber nur der allgemeine Wille als der Wille aller schafft Recht. Jede anders begründete Verbindlichkeit ist herrschaftliche Willkür. Die äußere Freiheit ist die "Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür" ist um deren Gleichheit und damit Allgemeinheit willen durch die Rechtlichkeit alles Handels eingeschränkt.

Ohne praktische Vernunft als die innere Freiheit, deren Gesetz der kategorische Imperativ, das Sittengesetz, ist, können Menschen und kann die Menschheit nicht zum Recht finden.

Diese Ethik hat Kant grundgelegt und ausgearbeitet. In Deutschland ist ausweislich des Absatz 1 des Artikels 1 des Artikels 1 des Grundgesetzes die Menschenwürde unantastbar und alle staatliche Gewalt verpflichtet, diese zu achten und zu schützen.

In Absatz 2 des Leitartikels seines Verfassungsgesetzes bekennt sich das Deutsche Volk darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

Demgemäß ist die Bundesrepublik Deutschland nach Art. 20 Abs. 1 GG ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. Nach Art. 20 Abs. 2 GG geht alle Staatsgewalt vom Volk aus und wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtssprechung ausgeübt. Obwohl diese Grundsätze ausweislich Art. 79 Abs. 3 GG nicht geändert werden dürfen, sind sie durch die Dogmatik liberalistischer Freiheiten und der entsprechenden Praxis im Wesen verändert.

Dadurch ist die freiheitliche Republik zu einem herrschaftlichen Parteienstaat entartet. Nur ein republikanisches Freiheitsparadigma wird dem zitierten Weltrechtsprinzip gerecht. Dieser Freiheitsbegriff ist in Absatz 1 des Artikels 2 des Grundgesetzes formuliert:

"Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder Sittengesetz verstößt."

Der Schlüssel zur republikanischen Freiheitslehre ist der vernachlässigte Begriff des Sittengesetzes. Es ist der kategorische Imperativ, das menschheitliche Gebot der Nächstenliebe, das Art. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte mit der Aufforderung zur Brüderlichkeit ausspricht.

Dieses Gebot ist allen Menschen und allen Völkern gemein. Es verpflichtet zur Sittlichkeit, zur praktischen Vernunft, die der Moralität jedes Menschen bedarf.

Ohne Eigentum, das den Menschen die erforderliche Selbständigkeit ermöglicht, ist freilich allseitige Vernunft nicht zu gewährleisten. Darum gibt Art. 14 Abs. 1 GG nicht nur ein Recht auf Eigentum, auch und vor allem ein Recht auf Eigentum und verpflichtet das Sozialprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG zu einer Politik allgemeiner Selbständigkeit.

Das Grundgesetz verfasst einen Bürgerstaat, der den Menschen und ihrem Gemeinwesen die Bürgerlichkeit aufgibt. Um des besonderen Glücks der Menschen, aber auch um deren Freiheit willen gehört zur Bürgerlichkeit die Privatheit der Lebensbewältigung, aber auch Privatheit ist nur freiheitlich, wenn sie dem Sittengesetz gehorcht, zumal das eigentumsgestützte Unternehmertum.

Die deutschen Staatsrechtslehrer halten in ihrer großen Mehrheit eisern daran fest, dass die Ausübung von Staatsgewalt Herrschaft sei, der die Grundrechte als Freiheitsrechte entgegengehalten werden müssen. Diese Doktrin zwingt zur konstitutiolistischen Unterscheidung von Staat und Gesellschaft und entpolitisiert die Menschen, denen denn auch ein Grundrecht der politischen Freiheit in Lehre und Praxis verwehrt wird. Immerhin kennen manche von ihnen den Dualismus liberaler und demokratischer Freiheit, ohne freilich die Herrschaftsdoktrin aufzugeben.

Herrschaft ist spätestens seit der Aufklärung nicht mehr legitimierbar. Ein solcher Liberalismus muss das Gesetz als Eingriff in die Freiheiten dogmatisieren. Er propagiert Deregulierung als Freiheitszuwachs zu Lasten der Gleichheit, weil beide Werte in einem Spannungsverhältnis stünden. Selbst das Eigentum wird als eine solche Freiheit verstanden, welche nicht gleich verteilt sein müsse.

Die politische Philosophie hingegen, die sich der Freiheits-, Rechts- und Staatslehre annimmt, folgt, weitgehend gestützt auf Kant, dem republikanischen Paradigma der Freiheit und leistet einen großen Beitrag zur Politik, geradezu eine Hilfe in der Not der deutschen Staatsrechtslehre, die sich von dem weltweiten Kantianismus kaum zu philosophischen Studien verleiten lässt.

"Freiheit in der Republik" will dazu beitragen, die Lehren vom gemeinsamen Leben, die Politik, zusammenzuführen. Als Freiheitslehre ist die Rechts- und Staatslehre praktische Philosophie, freilich mit dem Anspruch, verbindliche Rechtssätze zu entwickeln.

"Freiheit in der Rebuplik" ist gewissermaßen der erste Teil der zweiten Auflage von "Res publica res populi", neu geordnet, vielfach verbessert und vor allem vertieft. Die Neuerscheinungen und Neuauflagen zur Staatsrechtslehre und mehr noch zur politischen Philosophie sind, soweit geboten, eingearbeitet.

In einem zweiten Teil sollen, wie schon in "Res publica res populi" die republikanische Rechtsetzung, die republikanische Repräsentation und rechtsetzende Verfassungsgerichtsbarkeit in der Republik, aber auch die für eine freiheitliche Demokratie nicht weniger essentielle Frage der Medien in der Republik und die typische Verfallserscheinung in der Republik, der Parteienstaat, erörtert werden.

"Prinzipien des Rechtsstaats", 2006, hat bereits die republikanische Freiheits-, Rechts- und Staatslehre in die vielfältigen für ein freiheitliches Gemeinwesen unverzichtbaren Grundsätze des Rechts umgesetzt.

Nürnberg, im Oktober 2006 ....Karl Albrecht Schachtschneider

Aufsätze von Prof. Dr. iur. K. A. Schachtschneider:

Marktliche Sozialwirtschaft

Argumente gegen die Zustimmung zum Vertrag über eine Verfassung für Europa

Das europäisierte Deutschland nach dem Konventsentwurf einer “Verfassung für Europa”

Eigentümer globaler Unternehmen

Demokratische und soziale Defizite der Globalisierung

Die Universität in der Republik

Sittlichkeit und Moralität

Demokratie versus Kapitalismus

Flächentarifvertrag

Medienmacht versus Persönlichkeitsschutz

Rechtsstaatlichkeit als Grundlage des inneren und äußeren Friedens

Gesamtänderung der Bundesverfassung Österreichs

Der Vertrag von Lissabon

Rechtsproblem Familie

Staat ohne Legitimation

Finalität der Europäischen Union

Freiheit und Recht in der Europäischen Union

Veränderungen des Staates und der Staatlichkeit im Zeitalter der Globalisierung

Verfassungsbeschwerde gegen den Vertrag von Lissabon

Verfassungsbeschwerde gegen den Vertrag von Lissabon für Österreich

Verfassungsargumente gegen die Integration Österreichs in dieEuropäische Union

Verfassungswidrigkeit der Mitgliedschaft Österreichs in derEuropäischen Union

 

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