Impuls-Referat von KURT KÖPRUNER anläßlich der
Hauptversammlung des Bündnisses « Neutrales Freies Österreich – NFÖ »
am Samstag, 2. April 2005, in St. Florian bei Linz :


Kommt die EU-Verfassung,so existiert der Staat Österreich nicht mehr


Der Titel des mir gestellten Themas – „Kommt die EU-Verfassung, so existiert der Staat Österreich nicht mehr“ – ist eine Provokation. Was hat denn die EU-Verfassung mit der Existenz des Staates Österreich zu tun ? Löst sich die Republik mit Inkrafttre-ten der EU-Verfassung tatsächlich in einem größeren Gebilde – in Europa – auf ? Wird durch die geplante EU-Verfassung etwa der österreichische Bundespräsident abge-schafft, die Bundesregierung, der Nationalrat, die Bundesländer aufgelöst, die Bundesverfassung und die zahllosen anderen von den verschiedenen gesetzgebenden österreichischen Körperschaften in Jahrzehnten geschaffenen Gesetze außer Kraft gesetzt ?
Nichts von alledem ist der Fall. Trotzdem werde ich im Folgenden den Versuch unternehmen, einige Argumente für die Berechtigung der fast schon brutalen Formulierung unseres heutigen Themas zusammenzutragen. Ich tue dies als einfacher Staatsbürger, nicht als Jurist, denn ich bin keiner. Ich habe aber keine Angst vor Juristen, die gerne jedem Laien das Recht absprechen, bei solchen Fragen mitzureden, zumal ich mich bei meinen Überzeugungen durchaus auch auf sehr versierte und namhafte Juristen berufen kann.


Es ist mir eine Freude, meine Argumente hier in diesem Kreis vorzutragen zu können, denn schon der Name Ihrer Partei signalisiert, daß ich mit Ihnen bei einer entscheidenden Frage ganz auf einer Wellenlänge schwinge : Bei der Beurteilung der Neutralität Österreichs als zentrales Selbstverständnis der Österreicherinnen und Österreicher.
Damit bin ich auch schon ohne weitere Umschweife mitten drin im Thema.
Am 29. Oktober 2004 unterzeichneten die Staats- und Regierungs-Chefs der EU in Rom feierlich den „Europäischen Verfassungsvertrag“. Er besteht aus 448 Artikeln, 36 Protokollen, 2 Anhängen und 48 Erklärungen. Der Inhalt dieser insgesamt 530 Seiten ist der österreichischen Bevölkerung nicht anders als der im übrigen Europa weitgehend unbekannt. Der Vertrag soll nach Abschluß der Ratifizie-rungsverfahren in den 25 Mitgliedsstaaten im Jahr 2007 rechtsverbindlich in Kraft treten und damit ein ganz neues Kapitel der europäischen Realität aufschlagen.
Aus diesem Verfassungsvertrag zitiere ich nun gleich einen mir besonders wichtig erscheinenden Artikel : „Die Mitgliedstaaten unterstützen die gemeinsame Au-ßen- und Sicherheitspolitik der Union aktiv und vorbehaltlos im Geiste der Loyalität und der gegenseitigen Solidarität und achten das Handeln der Union in diesem Bereich. Sie enthalten sich jeder Handlung, die den Interessen der Union zuwiderläuft oder ihrer Wirkungskraft schaden könnte.“ (Artikel I-16, Absatz 2).
Mit dieser Formulierung wird eine eigenständige österreichische Außen- und Sicherheitspolitik in allen wirklich wichtigen Fragen hinfällig.
Der Salzburger Völkerrechtsprofessor Dr. Michael Geistlinger hat zu diesem Artikel der EU-Verfassung folgendes festgestellt : „Mit dem Inkrafttreten des Ver-fassungsvertrages ist Österreich nicht mehr zuständig, immerwährend neutral zu sein oder neutral sein zu wollen.“
Vor kurzem hatte ich bei einer Veranstaltung in Vorarlberg das Vergnügen, mit einem Juristen über das Thema zu diskutieren. Er war ein eifriger Befürworter der neuen EU-Verfassung. Ich hielt ihm die Aussage von Professor Geistlinger vor, worauf er verärgert reagierte : Das sei doch, so seine fast schon mitleidsvoll klingende Antwort, reichlich naiv. Natürlich sei die Neutralität klinisch tot, aber das nicht erst mit Inkrafttreten der EU-Verfassung, sondern de facto schon seit dem EU-Beitritt Österreichs vor zehn Jahren.
Ich konnte diesem Juristen im Prinzip leider nicht widersprechen : In der Tat, so wissen wir heute, hat der EU-Beitritt Österreichs eine Kettenreaktion ausgelöst, die zwar bei einem unbedingten Bekenntnis zur Neutralität zu stoppen gewesen und auch heute noch rückgängig zu machen wäre, die aber aufgrund der Willensbildung in Österreichs Parteien ganz automatisch – fast möchte man sagen : zwangsläufig – abgelaufen ist und auch weiterhin zwangsläufig vor sich geht.
Erinnern wir uns : Im Vorfeld der Volksabstimmung am 12. Juni 1994 über Österreichs EU-Beitritt war die Frage der „Neutralität Österreichs“ für viele – auch für mich – ein ganz maßgebliches Ent-scheidungskriterium. Damals hieß es von allen Politikern unisono : „Die Neutralität bleibt !“
Beispielsweise hieß es in der „Kronen-Zeitung“ vom 5. Juni 1994, genau eine Woche vor der Volksabstimmung, in riesigen Lettern schon auf Seite 1 : „Außenminister wehrt sich gegen falsche Behaup-tungen. MOCK : WARUM DIE NEUT-RALITÄT BLEIBT.“ Und auf Seite 2 wird der damalige Außenminister – gern auch „Mister Europa“ genannt – im ersten Satz so zitiert : „Die Neutralität, Teile der Souveränität aufgeben ? Ein totaler Unsinn. ... Wir werden auch an keinem Krieg teilnehmen.“
Wir wurden damals, wie wir heute sehen, entweder gnadenlos belogen, oder – was letztlich auf dasselbe hinausläuft – von Politikern vertreten und beraten, die selbst nicht wußten, wovon sie reden.

Lassen Sie mich an dieser Stelle ein paar Sätze über die Entwicklung der Neutralität Österreichs sagen. Möglicherweise trage ich damit hier in diesem Kreis der NFÖ Eulen nach Athen, trotzdem scheint es mir angebracht.
Am 26. Oktober 1955 beschloß der österreichische Nationalrat das „Neutralitätsgesetz“. Es war das erste Verfassungsgesetz überhaupt. Dort heißt es : „Österreich erklärt aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität. Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrecht erhalten und verteidigen [...] und in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen beitreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiet nicht zulassen.“
Unmißverständlich – sollte man meinen.
Später kamen noch weitere Gesetze dazu, das Kriegsmaterial-Gesetz etwa, das Truppenstationierungs-Gesetz, und im Jahre 1974 wurde nicht nur der Bruch, sondern auch die Gefährdung der Neutralität noch zusätzlich unter Strafe gestellt und mit einer – Zitat : „Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren“ – belegt.
So steht es im Neutralitätsgefährdungsgesetz, das als § 320 ins Strafgesetzbuch eingegangen ist.
Genau 30 Jahre später, im Herbst des letzten Jahres, beschloß die österreichische Bundesregierung die Beteiligung Österreichs an den sogenannten EU-Schlachtgruppen. Diese Schlachttruppen haben gemäß einer allgemein akzeptierten Definition des deutschen Verteidigungsministers folgende Aufgabe – Zitat : „Wenn ein Konflikt in Europa oder außerhalb von Europa auftritt, dann wollen wir schnell eine solche Batt-le-Group einsetzen.“ So Peter Struck im deutschen Bundestag am 23. 9. 2004.
Damit ist Österreich – entgegen der unmißverständlichen Formulierung in der Bundesverfassung – einem Militärbündnis beigetreten. Seine Soldaten sollen dem-nach bald wieder Krieg führen müssen, denn der nächste Konflikt wird bestimmt nicht lange auf sich warten lassen.
Wie ist das mit der Gesetzeslage zu vereinbaren ? Müssen die Mitglieder der österreichischen Bundesregierung nun damit rechnen, gemäß dem Neutralitätsge-fährdungsgesetz 6 Monate oder gar für 5 Jahre ins Gefängnis wandern ?
Nein, denn der § 320 des Strafgesetz-buches wurde rechtzeitig novelliert, also abgeändert ; und zwar schon im Jahre 2002, denn damals setzte die EU die „Battle-Groups“ auf die Tagesordnung.
Wie aber kann man das eindeutig scheinende Verfassungsgebot, „in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen“ beizutreten, so abändern, daß man ab sofort eben doch militärischen Bündnissen beitreten kann ? Ganz einfach : Man ließ das Verfassungsgebot Verfassungsgebot sein, stellte aber klar, daß die Straf-Androhung des § 320 des Strafgesetzbuches dann nicht gelte, wenn es sich um ein Militär-Bündnis handle, das aufgrund des Beschlusses einer internationalen Organisation zustande gekommen sei. Als internationale Organisation gelten UNO, NATO, OSZE und natürlich auch die EU.
Das, meine Damen und Herren, sind für mich Taschenspieler-Tricks. Schlimmer noch : Ohne Volksabstimmung beschlossen, ist das eine Gesetzesänderung, die auf einen Bruch der Bundesverfassung hinausläuft. Peter Pilz, einer der grünen Ex-Pazifisten, erkannte damals die Problematik, und kommentierte die Novellierung des § 320 Strafgesetzbuch so : „Die Regie-rung will Straffreiheit für Verfassungsbruch.“
Daß, nebenbei bemerkt, die Grünen heute zu den eifrigsten Befürwortern von EU-Verfassung und auch der EU-Schlachtgruppen zählen, disqualifiziert sie grundlegend, das gibt sie der Lächerlichkeit preis.
Die Novelle des Neutralitätsgefährdungsgesetzes wurde also im Jahr 2002 beschlossen. Mit ihr wurde nahezu jede Strafandrohung bei neutralitätsgefährdenden Handlungen straffrei gestellt. Mit anderen Worten : Wer Krieg führt, also die Neutralität nicht nur gefährdet, sondern offen bricht, braucht mit keiner Strafverfolgung mehr zu rechnen.
Was aber ist aus dem Bundesverfassungsgesetz geworden, das ja über dem Strafgesetzbuch steht, und auch ohne Strafandrohung die Beteiligung unmißverständlich für alle Zeiten ausschließt ? Ganz einfach, auch dieses wurde geändert, im Nationalrat, und zwar schon im Juni 1998 ; zwar mit der erforderlichen Zweidrittel-Mehrheit, aber bekanntlich ohne Volksabstimmung, ja sogar ohne jede öffentliche Diskussion, gewissermaßen in einer „Nacht- und Nebel-Aktion“. Seit damals ist die Beteiligung Österreichs an der „Ge- meinsamen Außen- und Sicherheitspolitik“ der EU verfassungsrechtlich möglich, seit damals kann die Kettenreaktion ihren Lauf nehmen.
Mit anderen Worten : Mit diesen Änderungen stellt die Beteiligung Österreichs an den EU-Schlachtgruppen juristisch kein Problem mehr dar. Kein Politiker braucht sich vor Strafverfolgung zu fürchten.
Wo aber bleibt dann noch die Neutralität, die immerwährende, aus dem Jahr 1955 ? Zunächst einmal auf dem Papier. Doch das ist bekanntlich geduldig. Aber da gibt es noch so eine, für die Parteien offenbar sehr duldsame Größe : Österreichs Menschen. Wer auch immer eine Umfrage macht, hartnäckig sprechen sich 2 Drittel der Österreicher-innen für die Beibehaltung der Neutralität aus. Offenbar handelt es sich dabei um lauter Idioten (?), denn sie glauben an etwas, was nur noch auf dem Papier besteht, und mit der Wirklichkeit nichts mehr zu tun hat.
Wie konnte es so weit kommen ? Nur eine Antwort drängt sich auf : Österreichs Politiker haben die Bevölkerung hinters Licht geführt, und sie tun das fortwährend. Die ÖVP hat – immerhin – des öfteren versucht, offen zu sagen, was sie von der Neutralität hält, nämlich schon lange nichts mehr. Wolfgang Schüssel hat sich bekanntlich seit langem nach Kräften bemüht, die Neutralität verächtlich zu machen – man erinnere sich an seine schamlosen Vergleiche der Neutraliät Österreichs mit Lippizanern und Mozartkugeln. Und immer wieder betonte er, die ÖVP werde bei dem „Neutralitäts- und Sicherheits-schwindel nicht mitmachen“.
Als die ÖVP schließlich einsah, daß sie damit in der Öffentlichkeit nicht punkten kann, ging sie den Weg, den die SPÖ schon seit viel früher beschritten hat : Neutralität JA, unbedingt, keine Frage – aber nur in Sonntagsreden, nicht aber in der politischen und juristischen Realität. Beide Parteien, befürworten im Österreich-Konvent folgerichtig, die Neutralität im Verfassungsrang zu belassen, und bringen damit zum Ausdruck, was sie den Men-schen in Österreich alles zumuten zu können glauben.
Und die Grünen, lange Zeit ehrlich engagiert auf der Seite der Neutralität, haben mit ihrer enthusiastischen Zustimmung zur EU-Verfassung einen Weg beschritten, der mit der Neutralität aus dem Jahre 1955 absolut nicht zu vereinbaren ist. Der Vorschlag des Sicherheitssprechers, des schon zitierten Herrn Dr. Peter Pilz, in 10 Jahren eine Volksabstimmung über die Neutralität abzuhalten, zeugt entweder von Perfidie oder von völliger Ahnungslosigkeit. Frei etwa nach dem Motto : Jetzt kämpfen wir erst mal ein paar Jahre in den Battle-Groups mit, und dann stimmen wir über die Neutralität ab. – Eine österreichische Tragik-Komödie ? Nein, schlicht eine Tragödie.
Hat also die Neutralität als Grundprin-zip österreichischer Außenpolitik keine Chance mehr ? Werden demnächst wieder Österreicher irgendwo auf – vermeintliche oder echte – Unholde schießen ? Oder ist die Neutralität, die klinisch Tote, vielleicht doch noch zu neuem Leben zu erwecken? Nach dem Willen aller 4 etablierten Parteien – die FPÖ tritt ja seit langem für den Nato-Beitritt ein – ist das Match längst gelaufen ; sei es aus Dummheit oder Überzeugung, sei es aus Unterwür-figkeit vor den Brüsseler Thronen. Sie beschäftigen sich nur noch mit der Frage : „Wie sag’ ich’s meinem Kinde ?“ - den Wählerinnen und Wählern, dem Souverän.
An dieser Stelle drängt sich die Frage auf : Warum eigentlich sind 2 Drittel – oder sind es 3 Viertel, 4 Fünftel gar ? – der Österreicherinnen für die Beibehaltung der Neutralität ? Ist es dumme Nostalgie ? Oder Bequemlichkeit ? Wollen sie gar andere für sich die Drecksarbeit machen lassen und als „Trittbrett-Fahrer“ von einer militärisch starken EU profitieren ?
Oder ist es vielleicht doch der tief empfundene Wunsch, nie mehr in Kriege hineingezogen zu werden ? Verbunden mit einem instinktiven Mißtrauen gegen die Politik, und der Überzeugung, daß Kriege immer irgendwelchen Interessen dienen, und daß diese Interessen nicht die ihren sind ? Spielt vielleicht sogar die Ü-berlegung mit, daß Österreich als neutraler Staat, dem Frieden in der Welt womöglich weit mehr dienen kann, als dies mit Waffengewalt möglich ist – etwa als Vermittler, als neutraler Boden für internationale Verhandlungen, als UNO-Polizist ?
Was auch immer, das Volk ist der Souverän, es muß – es müßte – entscheiden. Es darf aber nicht, denn unsere Parteien haben offenbar Angst vor den Wählerinnen und Wählern, Angst vor dem Souverän.
Neben dem für mich persönlich brisantesten Aspekt der EUVerfassung, – der Preisgabe der Neutralität – will ich Ihre geschätzte Aufmerksamkeit nun kritisch auf einige weitere Bereiche des Verfassungstextes lenken. Ich habe für dieses Impuls-Referat sechs problematische Aspekte herausgegriffen – es gibt noch mehr – die jedenfalls einer ausführlichen Dikussion und einer anschließenden Volksabstimmung bedürfen.
1.Die EU-Verfassung stellt eine Gesamtänderung der österreichischen Bundesverfassung dar.
Die EU-Verfassung steht über allen nationalen Gesetzen der 25 EU-Mitgliedsstaaten. Uneingeschränkt und unmiß-verständlich heißt es im Artikel I-6 des in Rom beschlossenen Verfassungstextes : „Die Verfassung und das von den Organen der Union in Ausübung der ihnen zugewiesenen Zuständigkeiten gesetzte Recht haben Vorrang vor dem Recht der Mitgliedsstaaten.“
Mit anderen Worten : Jedes in Österreich (oder in jedem anderen Mitglieds-land) beschlossene Gesetz, das nach Interpretation der EU-Mächtigen im Gegensatz zur künftigen EU-Verfassung steht, kann folglich vom Europäischen Gerichtshof für ungültig erklärt werden.
Ich kann mich auf den Vorstand des Instituts für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien, Professor Theo Öhlinger, berufen, der darin eine Gesamtänderung der österreichischen Bundesverfassung erblickt, was eine Volksabstimmung zwingend erforderlich machte.
2. Die EU-Verfassung macht aus Europa
ein Militär-Bündnis.
Im Artikel I – 3 findet sich gleich im allerersten Satz unter der Überschrift „Die Ziele der Union“ folgende Formulierung : „Ziel der Union ist es, den Frieden ... zu fördern.“
Um dieses hehre Ziel zu erreichen, sieht sich die EU veranlaßt, sich in ihrer Verfassung auch als Militär-Bündnis zu definieren. Ich zitiere den Artikel I-16, Absatz 1 : „Die Zuständigkeit der Union in der gemeinsamen Außen- und Sicher-heitspolitik erstreckt sich auf alle Bereiche
der Außenpolitik sowie auf sämtliche Fragen im Zusammenhang mit der Sicherheit der Union, einschließlich der schrittweisen Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik, die zu einer gemeinsamen Verteidigung führen kann.“
Was aber ist hier mit dem Begriff „Verteidigung“ gemeint ? Etwa eine (von der Uno-Charta erlaubte) Selbstverteidigung gegen einen angreifenden äußeren Feind ? Keineswegs, jedenfalls nicht nur. In Arti-kel I – 41 Absatz 1 spricht sich die Union selbst das Recht auf weltweite militärische Aktionen zu, indem sie – Zitat : „Missionen außerhalb der Union“ regelt. Und in Artikel III-309, Absatz 1 wird präzisiert, was das bedeuten kann : „ ... Kampfeinsätze im Rahmen der Krisenbewältigung einschließlich Frieden schaffender Maßnahmen und Operationen zur Stabilisierung der Lage nach Konflikten. Mit allen diesen Missionen kann zur Be-kämpfung des Terrorismus beigetragen werden, unter anderem auch durch die Unterstützung für Drittländer bei der Be-kämpfung in ihrem Hoheitsgebiet.“ Mit dieser EU-Verfassung wäre etwa der Krieg gegen den Irak leicht zu legitimieren.
Der militärische Charakter der Verfassung kommt in zahlreichen weiteren Paragraphen zum Ausdruck. So im Artikel I-41, Absatz 6, wo gewissermaßen ein militärisches Separat-Bündnis innerhalb der EU geregelt wird : „Die Mitgliedstaaten, die anspruchsvollere Kriterien in Bezug auf die mili-tärischen Fähigkeiten erfüllen, und die im Hinblick auf Missionen mit höchsten Anforderungen untereinander weiter gehende Verpflichtungen eingegangen sind, begründen eine ständige, strukturierte Zusammenarbeit im Rahmen der Union.“
Offenbar rechnen die Autoren der Verfassung damit, daß doch nicht alle Staaten sofort und vorbehaltlos den oben zitierten Artikel I-16 umzusetzen in der Lage sind, wodurch aber die Kampfbereitschaft der EU nicht auf die lange Bank geschoben werden darf. Ganz in die Richtung, rasch Militär-Strukturen unter dem Dach der EU zu schaffen, geht auch die Aufstellung der schon erwähnten EU-Battle-Groups, der schnellen Eingreif-Truppen, des weiteren die Überlegungen zu einem sogenannten Kern-Europa.
3. Die EU-Verfassung ermöglicht Welt-
politik ohne demokratische Legitimation.


Das EU-Parlament, also die Volksvertretung, hat bei der „Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik“ kein echtes Mitbestimmungsrecht. Im Artikel I-40, Absatz 8 heißt es : „Das Europäische Parlament wird zu den wichtigsten Aspekten und den grundlegenden Weichenstellungen der ,Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik’ regelmäßig gehört. Es wird über ihre Entwicklung auf den Laufenden gehalten“.


Und im Artikel III-304 wird ein bis-lang unbestrittenes rechtsstaatliches Prinzip geradezu auf den Kopf gestellt : „Der Au-ßenminister der Union hört und unterrichtet das Parlament.“ Und er „achtet darauf, daß die Auffassungen des Europäischen Parlaments ge-bührend Berücksichtigung finden.“ – Das Parlament, die legislative Gewalt, hat demnach gerade noch unverbindliche Anhörungsrechte, allein die Exekutive diktiert, und dem Außenminister wird es eigener Beurteilung überlassen, die Meinung des Parlamentes zu berücksichtigen oder auch nicht.


4. Die EU-Verfassung bedeutet Zwang zur Aufrüstung.
In Artikel I-41, Absatz 3 werden die Mit-gliedsstaaten verpflichtet (!) „ihre militäri-schen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern“, womit ein Zwang zur Aufrüstung in den Verfassungsrang gehoben wird.

Gleichfalls konstitutionell geregelt ist die Gründung einer „Europäischen Verteidigungs-Agentur“, deren Aufgabe es ist, „den operativen Bedarf zu ermitteln und Maßnahmen zur Be-darfsdeckung zu fördern, zur Ermittlung von Maßnahmen zur Stärkung der industriellen und technologischen Basis des Verteidigungssektors beizutragen und diese Maßnahmen gegebenenfalls durchzuführen, ... sich an der Festlegung einer europäischen Politik im Bereich der Fähigkeiten und der Rüstung zu beteiligen ...“ So schreibt es Artikel I-41, Abs. 3, vor.


Darüber hinaus hat diese „Europäische Verteidigungs-Agentur“ die Funktion, zu beurteilen, „ob die von den Mitgliedstaaten in Bezug auf diese Fähigkeiten eingegangenen Ver-pflichtungen erfüllt wurden ... “ (Artikel III- 310, Absatz 1 a.)
Die Aufrüstung in den einzelnen Mitgliedstaaten wird also nicht nur von der EU-Verfassung vorgeschrieben, sie soll auch von einem Verfassungsorgan kontrolliert werden dürfen. Wer nach Inkrafttre-ten der EU-Verfassung für Abrüstung eintritt, oder etwa gegen den Kauf von Abfangjägern, befindet sich somit im Widerspruch zur EU-Verfassung.
5. Die EU-Verfassung steht im Wider-spruch zur UNO-Charta.
Artikel I-3, (4) der EU-Verfassung : Die Union „leistet einen Beitrag ... zur strikten Einhaltung und Weiterentwicklung des Völkerrechts, insbesondere zur Wahrung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen“. Das klingt gut, aber leider klingt es nur so.


Man muß aber schon genauer hinsehen, um zu erkennen, daß, was hier scheinbar so unzweideutig formuliert ist, in klarem Widerspruch zu anderen Verfassungsbestimmungen steht. Zum bereits zitierten Artikel I-41, Absatz 1, beispielsweise, denn in der UNO-Charta ist bekanntlich festgelegt, daß militärische Aktionen au-ßerhalb des eigenen Hoheitsgebietes nur mit Zustimmung des UNO-Sicherheitsrates erfolgen dorfen, und zwar ohne jede Ausnahme.
Eine Zustimmung des UNO-Sicherheitsrates ist aber bei Missionen außerhalb der Union nicht vorgesehen, er wird in der gesamten EU-Verfassung nicht einmal erwähnt. Wenn die EU also jemals – gemäß Artikel III-309, Absatz 1 – ohne Zustimmung des UNO-Sicherheitsrates „Kampf-Einsätze im Rahmen der Krisen-bewältigung“ außerhalb ihres eigenen Territoriums beschließen sollte, so würde sie die UNO-Charta brechen. Dieser Völkerrechtsbruch wäre aber durch die EU-Verfassung gedeckt !

Als 6. und letzten Punkt nun noch ein paar Worte über die viel gepriesene „Charta der Grundrechte der Union“.
Zahlreiche Artikel dieses Grundrechte-Katalogs sind, so wohlklingend sie auch sein mögen, nichts als Sand in die Augen, und sie führen – wenn überhaupt zu irgend etwas – zu unerfüllbaren Hoffnungen der EU-Bürger, allenfalls noch zu sinnlosen Rechtsstreitigkeiten. Mehr Rechte und mehr Gerechtigkeit bedeuten sie nicht.
„Jede Person hat das Recht, zu arbeiten“, heißt es in Artikel II-75 sehr hübsch. Doch weil damit natürlich noch kein Arbeitsplatz geschaffen werden kann, ist es gut, daß schon in Artikel I-3 (3) folgen der Grundsatz formuliert wird . „Die Union wirkt auf ... eine in hohem Maße wettbewerbsfähige, soziale Markt-wirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Frieden abzielt“, hin. Schöne Worte, aber wie sieht es mit den Taten aus ?


Ist es Zufall, daß im Teil III der Verfassung, wo die politischen Spielregeln festgeschrieben sind, zwar viel von „Preis-Stabilität“, „Wettbewerb“ und „Marktwirtschaft“ zu lesen ist, das Wort „Vollbeschäftigung“ aber überhaupt nicht mehr vorkommt ? – Ist es Zufall, daß im Politik-Teil der Verfassung zwar genau be-schrieben ist, mit welchen Maßnahmen ein Mitgliedstaat zu rechnen hat, der die strengen Kriterien bei seiner Budget-Politik nicht erfüllt, aber keinerlei Mindest-Standards in Bezug auf den sozialen Fortschritt formuliert wurden?
Erinnern wir uns : Vor der Volksabstimmung über den EU-Beitritt Österreichs im Jahr 1994 war viel von der Vollbeschäftigung die Rede. Aufs Tausend genau wurde damals vorgerechnet, wie viele Arbeitsplätze in Österreich im Falle eines „Nein zur EU“ verloren gehen würden. Heute, 10 Jahre nach dem Beitritt, haben wir mehr Arbeitslose und eine geringere soziale Sicherheit als damals. Dazu müßten die Politiker im Falle einer Volksabstimmung Stellung beziehen, kein Wunder, daß sie sich davor scheuen.
Weitere Beispiele aus dem wohltönenden Grundrechte-Katalog in Stichworten :
Artikel II-85 : „Die Union anerkennt und achtet das Recht älterer Menschen auf ein würdiges und unabhängiges Leben und auf Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben
.“
Dazu erlaube ich mir die Feststellung, daß, wer nicht die ökonomischen Voraussetzungen für ein würdiges Leben hat, dem wird dieser schöne Passus sicher auch nicht helfen. Und wer die ökonomischen Voraussetzungen dafür hat, der braucht ihn ganz bestimmt nicht.
Artikel II-86 : „Die Union anerkennt und achtet den Anspruch von Menschen mit Behinderung auf Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer Eigenständigkeit, ihrer sozialen und beruflichen Eingliederung und ihrer Teilnahme am Leben der Gemeinschaft.“ Was aber – diese Frage drängt sich doch auf – nützt dieser Artikel einem arbeitslosen Behinderten ?
Bei anderen Artikeln muß man sich fragen, ob es wirklich auch noch eine EU-Verfassung braucht, um für Rechtssicherheit zu sorgen. Etwa bei Artikel II-65, der „Sklaverei“ und „Zwangsarbeit“, „Leibeigenschaft“ und „Menschenhandel“ verbietet, oder Artikel II- 63, der jedem Menschen „das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit“ zusichert.
All diese Bestimmungen sind längst geltendes EU-Recht, geregelt etwa in der „Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten“ oder der „Sozial-Charta und Grundlage der europäischen Rechtsprechung“.
Ich will keineswegs behaupten, es könne schaden, Grundrechte im Verfassungsrang zu definieren und festzuschreiben. In ihrer Unverbindlichkeit und im Kontext mit den militärischen Bestimmungen der EU-Verfassung erscheinen sie mir aber mehr als Mogel-Packung denn als „demokratischer Quantensprung“, wie es der grüne Europa-Abgeordnete Johannes Voggenhuber einmal demagogisch bezeichnete.
Ich komme zum Schluß und stelle fest : Wenn man Demokratie als Gesellschaftsform definiert, in der die Macht aus dem Volk kommt, durch das Volk und für das Volk ausgeübt wird, wie es Abraham Lincoln im Jahre 1863 definierte, so entfernt uns die EU-Verfassung von der Demokratie. Auch wenn durch sie weder der österreichische Bundespräsident abgeschafft wird, noch die Bundesregierung, oder der Nationalrat, so verlagert sich doch die letzte Entscheidung in Fragen, die ganz maßgeblich unser Leben betref-fen, aus den demokratisch legitimierten österreichischen Institutionen in un-durchschaubare und unkontrollierbare Brüsseler Instanzen. Und insofern hat der Titel des mir gestellten Themas durchaus seine Berechtigung : „Kommt die EU-Verfassung, so existiert der Staat Österreich nicht mehr.“


Ich freue mich, wenn Sie Ihre Kraft als NFÖ vehement dagegen einsetzen. Allein schon mit Ihrem Einsatz für Österreichs Neutralität sprechen Sie ganz sicher eine Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher an.
Ich weiß aus eigener Erfahrung, was poli-tische Arbeit, was Parteiarbeit bedeutet. Ich weiß, daß viele Menschen resigniert den Kopf in den Sand stecken. Daß Sie das offenbar nicht tun, dafür will ich Ihnen meinen Respekt ausdrücken.
Schriftsetzung: Siegfried Eder, Bündnis « NEUTRALES FREIES ÖSTER-REICH – NFÖ » in Prutz am Inn, www.nfoe.at – KÖ130405-1

 

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