Wien, 26. April 2008

Sehr geehrter Herr Bundespräsident!

Im Zusammenhang mit dem Reformvertrag kann man sich eigentlich nur darüber wundern, wie inkonsequent offenbar das Denken der Politiker – vor allem im Mitte-Links-Lager – sich darstellt. Es wird der unumschränkten Macht eines neoliberal-kapitalistischen Konstrukts Vorschub geleistet, wobei man völlig einseitig nur den Umstand fokusiert, dass es sich um nichts Nationalistisches sondern eine internationalistische Organisation handelt. Man zieht daraus den völlig falschen Schluß, dass dieses korrupte Mauschelsyndikat deshalb bereits ein „Friedensprojekt“ sein müsse. Wie sich bereits deutlich abzeichnet, wird man in der Praxis die wirtschaftlich motivierten Kriege anderer Staaten mitführen müssen; bei Auflehnung kann mit Waffengewalt vorgegangen werden, „gezielte Tötungen“ inbegriffen. Die Flexibilitätsklausel verschafft der Union eine Blankovollmacht, die Neutralität wird „nach Schlawinermanier“ (wie Sie das selbst vor vielen Jahren bezeichneten) durch die Hintertür abgeschafft.

Man kann sich nur darüber wundern, dass Sie dabei mitspielen. Ihr Sekretär möge bei einer allfälligen Antwort auf dieses Schreiben nicht damit kommen, dass ja der Reformvertrag mehr Demokratie und mehr Rechte für die einzelnen Staaten bringen werde. Was nützt denn ein demokratisches Institut - wie z.B. die Volksabstimmung – wenn es ad libitum mit dreister Präpotenz verhindert wird? Sie erwirken mit Ihrer Unterschrift mehr Handlungsfähigkeit für die Union, aber auch mehr Knebelung für Österreich. Weltweit kann man feststellen, dass föderale Tendenzen dem Willen der Völker entsprechen, nur in Europa schafft man eine Schaltzentrale, die an Macht jener der Sowjetunion nicht nachstehen wird. Ließ man dort seinerzeit die Bauern verhungern, so sind es durch das unselige Treiben Amerikas und der Europäischen Union zahllose Kinder in der Dritten Welt (ich verweise auf Jean Ziegler).

Dieser wahrhaft traurige Befund wird Sie voraussichtlich nicht daran hindern, Ihre Unterschrift unter dem Druck der internationalen „Eliten“ unter diese Mogelpackung zu setzen, welche die Qualität eines Vertrages hat, den miese Vertreter gutgläubigen Leuten unterjubeln. Nur dass ein großer Teil der Bevölkerung nicht mehr gutgläubig ist, weshalb sie ja ihr Votum nicht abgeben darf. Die repräsentative Demokratie ist bankrott.

Mit bedingter Hochachtung
Dkfm. Waltraut Kupf
Ölzeltgasse 4/10
1030 Wien

e-mail walkupf@utanet.at

Ein sehr gut formulierter Offener Brief an den österreichischen Bundespräsidenten

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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