ZEIT - FRAGEN

Interview mit Dipl. Ing. Rudolf Pomaroli

Seit dem Herbst 2003 gibt es in Österreich das Bündnis Neutrales Freies Österreich (NFÖ), einen österreichweiten Zusammenschluss -politischer Gruppierungen, nicht im Parlament vertretener Kleinparteien, Bürgerinitiativen und Einzelpersonen. Die NFÖ-Bündnispartner wollen sich nicht damit abfinden, dass Bürger mit berechtigten österreichischen Anliegen kein Gehör finden und von ihren -Politikern in internationalen Institutionen unzureichend vertreten werden. Stichworte wie «schleichende Aufgabe der Neutralität» und «Beteiligung an militärischen Kampftruppen», «Parteienherrschaft und Demokratiemissbrauch», «Einsparung im Bildungsbereich und Gesundheitswesen», «Ausverkauf österreichischer Ressourcen», wenig «Mitbestimmungsmöglichkeiten der Bürger», u.a.m. sind die zentralen Ansatzpunkte für das Engagement der NFÖ. Im Gespräch mit Rudolf Pomaroli, dem Bundesobmann des Bündnisses NFÖ, erfahren wir mehr über das Anliegen der NFÖ.


Zeit-Fragen:

Ihr Bündnis «Neutrales Freies Österreich - NFÖ» sieht einen Kurs-und Stilwechsel in der österreichischen Politik als erstrebenswert an. Was verstehen Sie darunter konkret?

Pomaroli:

Uns geht es um einen belegbar korrekten, transparenten, gesetzestreu ausgerichteten politischen Stil im Parlament wie in den Regierungen. Das Reden soll nicht im Widerspruch zum Handeln stehen. Konkret: Wenn in der österreichischen Bundesverfassung in Artikel 44, Absatz 3, steht, dass bei einer gravierenden Änderung der Bundesverfassung darüber eine Volksabstimmung abzuhalten ist, so kann doch der Hüter der Verfassung, der Bundespräsident, nicht schweigen, sobald der Regierungschef eine Abstimmung über die vorrangige EU-Verfassung ablehnt.

Ganz generell stören uns Meinungsäusserungen von Politikern, die mehr oder weniger eine Funktion von Ort und Zeit sind. Beispielsweise zeigen sich österreichische Regierungspolitiker in Brüssel äusserst unterwürfig und angepasst. Kaum betreten sie österreichischen Boden, so hören sich die Aussagen plötzlich konträr, kämpferisch und im Sinne nationaler Interessen an. Man spricht von Bedingungen, ohne deren Erfüllung nicht zugestimmt werden würde. Ich erinnere an das AKW Temelin, das nicht in Betrieb gehen dürfe, oder an die Rechtswidrigkeit der Benes-Dekrete, die zuerst anerkannt werden müssen, bevor dem EU-Beitritt der Tschechei die Zustimmung gegeben werde [...]. Man ist auch bereit, notfalls mit einem Veto Druck auszuüben [...].

Wir haben es dann leider anders erlebt. Reine verbale Schaumschlägerei! Soll ich noch Beispiele in den Bereichen Transitpolitik oder Neutralitätspolitik oder EU-Erweiterung aufzählen?
Welche Inhalte vertritt Ihr Bündnis? Finden sich diese nicht auch bei den etablierten Parlamentsparteien?

Die Wiedergewinnung nationaler Souveränität und die Einführung von wirksamen Instrumenten der direkten Demokratie nach Schweizer Muster hat meines Wissens noch keine Partei verlangt. Noch sicherer wage ich zu behaupten: Alle vier etablierten Parteien dienen der Europäischen Union in ihrem wirtschaftlichen und militärischen Grossmachtstreben und opfern somit wertvollste Mitbestimmungsrechte, kulturelle Identität und inneren wie äusseren Frieden. Vom kontinuierlichen Ausverkauf österreichischer Ressourcen und Unternehmungen möchte ich erst gar nicht reden.

Mir ist auch keine Partei bekannt, die unmissverständlich den Austritt aus der EU fordert. Unser Bündnis will raus aus diesem bürgerfernen System EU. Es gibt derzeit keinen anderen Weg, unsere Souveränität wieder weitgehend zurückzugewinnen. Bei der Neutralität scheinen Sozialdemokraten und Grüne ähnliche Ziele zu verfolgen. Bitte prüfen Sie jedoch das Stimmverhalten im Parlament, als der Amsterdamer und der Nizza-Vertrag ratifiziert wurden. Alle Abgeordneten haben zugestimmt, also der Beistandspflicht auf EU-Ebene und dem Aufbau eines EU- Heeres. Und das soll mit der österreichischen Neutralität von 1955 vereinbar sein? Das ist glatte Heuchelei.


Zeit-Fragen:

Woher nehmen Sie Ihren Optimismus, dass sich ein beträchtlicher Anteil der derzeit frustrierten Nichtwähler am Wahltag ausgerechnet für Ihr Bündnis entscheiden wird?

Ja, enttäuschte Nichtwähler und Wechselwähler wollen wir mit couragierten Zielsetzungen, wie dem vorhin erwähnten EU-Austritt, erreichen. Immerhin wünschen sich bereits 38% aller Österreicher diesen Schritt, und wir haben von Juristen und Völkerrechtlern bestätigt bekommen: Es ist ein erreichbares Ziel, und Österreich kann ausserhalb dieser undemokratischen, von Grosskonzernen gelenkten Gemeinschaft wesentlich mehr für Eu-ropa, für den Frieden und für die Umsetzung christlich-humanistischer Wertvorstellungen tun. Wir sind überzeugt, wenn den Wählern eine echte Alternative zur «Einheitspartei mit vier Gesichtern» geboten wird, wird der Anreiz, zur Wahl zu gehen, wieder zunehmen.
Weshalb sollten Wählerinnen und Wähler dem NFÖ Glauben schenken, dass es nicht genauso der Versuchung unterliegen wird, politische Macht - so sie diese vom Wähler erhalten sollte - eigennützig bzw. gegen den Wählerwillen zu missbrauchen?

Die Grossparteien haben ihr Wort schon unzählige Male gebrochen und ihre Grundsatztreue aufgegeben - z.B. die Grünen, indem sie eine EU-Verfassung gutheissen, in der eine verpflichtende Aufrüstung und Militarisierung festgeschrieben ist.

Solange die Vertreter des NFÖ nicht wortbrüchig geworden sind, sollte es allerdings einen Vertrauensvorschuss geben.

Wer in der Zukunft nur Negatives erwartet, dem fehlt das Lebensprinzip Hoffnung. Solch ein extremer Pessimismus würde auch jede Form sozialen Zusammenlebens stark belasten. Wir erwarten bei den Wählern mehrheitlich eine realistische Denkweise.

Zeit-Fragen:

In Ihrem Programm fällt die kompromisslose EU-Kritik auf. Sie wollen bis zur Forderung eines EU-Austritts gehen. Erliegen Sie hier nicht einer Illusion? Könnte sich das Österreich wirklich leisten?

Österreich konnte sich die Eigenstaatlichkeit und den souveränen Zustand vor 1995 gut leisten. Was spricht dagegen, dass es ausserhalb der Europäischen Union ebenfalls funktionieren würde? Die Nichtmitglieder Schweiz und Norwegen nagen ja auch nicht am Hungertuch. Wir wollen keine zwischenstaatlichen Barrieren im Waren- und Dienstleistungsaustausch aufbauen, es geht uns um die Fähigkeit grösstmöglicher Entscheidungsfreiheit vor allem in politischen Belangen. Nehmen wir das Beispiel Transit. Wenn in Österreich eine Region unter den Belastungen des Transitverkehrs stöhnt, dann sollen die betroffenen Menschen vor Ort ihr Schicksal bestimmen können und nicht eine nach ökonomischen Kategorien gelenkte Zentrale in Brüssel.
In der EU wird viel von Frieden gesprochen, aber wo bleibt ein echtes Friedensprojekt für Europa und die Welt?

Wahrscheinlich verstehen die Entscheidungsträger in EU und Nato unter Frieden etwas ganz anderes als die einfachen Menschen hierzulande. Gab es denn überhaupt einen Krieg, der nicht in friedensichernder Absicht geführt wurde? Angeblich hat auch Hitler in den 30er Jahren noch von Frieden gesprochen … Für mich zählen die Fakten. EU-Länder waren in den letzten 10 Jahren bereits in 4 Kriege verwickelt. Jetzt sind noch 10 Oststaaten dazugekommen. Da sehe ich eine zunehmende Wahrscheinlichkeit, dass sich einer der 25 Mitgliedsstaaten - es sollen ja noch weitere dazukommen - in Kriege verwickeln lässt, dann ist es mit dem Frieden in Österreich vorbei. Die geplante militarisierende EU-Verfassung verstärkt meine Zweifel am Friedensprojekt EU um einige Potenzen.

Die Rede vom «Friedensprojekt EU» ist demnach eine Täuschung? Wäre die Europäische Union ein tatsächliches und von solchem Geist beseeltes Friedensprojekt, wie die EU-Befürworter es gerne darstellen, ja dann könnten wir Bürger manches wegstecken, was an Belastungen in den letzten 10 Jahren auf uns zugekommen ist.

Dem ist aber nicht so. Dieses allerletzte Argument dient zur Verblendung. Eines getraue ich mich mit Bestimmtheit zu sagen: Verzeihendes, liebevolles Verhalten kann am stärksten den Frieden erhalten bzw. ihn wiederbringen.

Oder andersherum gedacht: Unfrieden entsteht bereits mit jedem bösen Wort, erst recht mit Taten, die als ungerecht, egoistisch, feindselig empfunden werden. Daran gemessen hat sich die EU in den letzten Jahren zu viel Negatives geleistet. Wie oft wurden die Bürger getäuscht? Ich vergesse es nicht so schnell, wie im Oktober 2001 auf meinem PC Mail-Nachrichten besorgter Christen eintrudelten mit dem Aufruf, übers Internet die Meinung zu einem Konsultationspapier der EU-Kommission nach Brüssel zu senden. Die Kommission hatte die Bürgerbeteiligung angeregt und verlautbart, ihre Entscheidung von der Bürgermeinung abhängig zu machen. Es ging um «Strategische Visionen der Biowissenschaften und der Biotechnologie», übersetzt, die Förderung von Forschungsprojekten, bei denen menschliche Embryonen gezielt getötet werden sollten. Als Endtermin für Stellungnahmen war der 23. November angesetzt.

Wie gefrotzelt fühlten sich da Hunderttausende aktive Bürger in allen EU-Ländern, als sie erfuhren, dass das EU-Parlament bereits am 14. November vollendete Tatsachen geschaffen und zugestimmt hatte. Noch deutlicher entpuppt sich das sogenannte Friedensprojekt EU, wenn wir den Verfassungsvertrag zur Hand nehmen. Darin sind Aufrüstungsverpflichtungen verankert und eine Selbstermächtigung zu globalen Militärinterventionen, im Klartext zu Kriegen.

Drittens nimmt Brüssel die europäischen Bürger nicht ernst, räumt ihnen keine ernsthafte Beteiligung an Entscheidungsprozessen ein. Im Gegenteil, in den Organen, wo über die Gesetze abgestimmt wird, geschieht dies unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Und eine solch bürgerferne Konstruktion soll den Frieden in Europa bewahren können? Kriege wurden immer von Machtträgern - oft Diktatoren - über die Köpfe der betroffenen Bürger hinweg angezettelt. Nein, je länger ich über diese Worthülse «Friedensprojekt EU» nachdenke, desto sicherer werde ich in meiner Einschätzung: Die EU ist ein potentielles Kriegsprojekt.
Wenn Sie eine Harmonisierung sämtlicher Politikerprivilegien und des Pensionssystems fordern, so dürfte das bei den Wählern gut ankommen. Glauben Sie aber, dass dann der Politikerberuf noch ausreichend attraktiv ist, um beste Fachleute gewinnen zu können?

Ohne Idealismus sollte ein Politiker erst gar nicht mit diesem Beruf liebäugeln. Das ist ja genau die Wurzel allen politischen Übels. Wenn nicht die Freude an diesem Beruf das Motiv dafür ist, ihn zu wählen, sondern das attraktive Einkommen samt Privilegien, so fehlt einem solchen «Diener des Volkes» die wichtigste Grundvoraussetzung.

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