Die Werkstatt für Frieden & Solidarität fordert im Rundbrief 20/2009 richtigerweise den Austritt aus der Europäischen Union und erteilt der EU eine eindeutige Absage: Der Austritt wird - berechtigt - gefordert!

EU-Reformvertrag/Irland: Mit der demokratiepolitischen Farce in Irland ist das Inkrafttreten des Lissabon-Vertrag ein großes Stück näher gerückt. Damit stehen gerade jene, die bislang an die Reformierbarkeit der EU geglaubt haben, vor der Wahl: entweder weiter dem Phantasma einer “anderen” EU nachzulaufen, oder eine realpolitische Perspektive ins Auge zu fassen: Den Austritt aus dieser Union der Konzerne und Generäle.

EU-Reformvertrag: Irland und die Folgen Beim zweiten Anlauf hat es also geklappt. Nachdem der Zugang der Nein-Befürworter zu den öffentlichen Medien drastisch eingeschränkt wurde, der Ryan-Air Chef 500.000 Euro in eine Pro-Kampagne investierte (wohl um sich die EU-Kommission gnädig zu stimmen, mit der er in zahlreiche Konflikte verwickelt ist) und die EU-Kommission selbst Postwürfe an alle Haushalte finanzierte, haben die IrInnen mehrheitlich für den Lissabon-Vertrag gestimmt. Michael Youlton, einer der Sprecher des progressiven Nein-Lagers, schätzt, dass das „Nein“ in den Medien im Vergleich zur „Ja-Seite“ im Verhältnis eins zu fünf unterrepräsentiert und im Verhältnis eins zu zwanzig unterfinanziert war.

Besonders zynisch war die Drohung von Kommission und Regierung, ein Nein würde die Wirtschaftskrise weiter verschärfen. Der Bock geriert sich als Gärtner: Gerade die neoliberale EU-Politik hat maßgeblich zu dieser Jahrhundertkrise beigetragen, die den Lebensstandard der IrInnen um – wie die Regierung zugibt – zwei Jahrzehnte zurückwerfen wird. Die Staatsausgaben wurden bereits auf Druck der EZB um 20% gekürzt.

Im Unterschied zu Machthabern in sog. “vordemokratischen” Staaten manipulieren die postdemokratischen EU-Machteliten keine Wahlergebnisse. Wenn diese nicht passen, werden sie entweder kalt entsorgt (sh. Volksabstimmungen in Frankreich und Holland) oder - sh. Irland - solange wiederholt, bis das Ergebnis passt. Mit dieser demokratiepolitischen Farce ist freilich das Inkraft-treten des Lissabon-Vertrags ein großes Stück näher gerückt. Halten wir uns vor Augen, was das heißt: Mit diesem EU-Vertrag werden drei zentrale Verpflichtungen für alle EU-Mitgliedsstaaten einzementiert:


- Neoliberalismus nach innen (Verpflichtung zur einer Wirtschaftspolitik der„offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“)
- Freihandelsregime nach außen (außenwirtschaftliche Zielbestimmung:  „Abbau internationaler Handelshemmnisse“)
- Aufrüstung (Verpflichtung zur „schrittweisen Verbesserung der militärischen Fähigkeiten“)

Härtester politischer Beton. Der frühere französische Staatspräsident Chirac meinte, das sei ein Vertrag für mindestens zwei Generationen. Das ist plausibel, denn was einmal im EU-Primärrecht verankert wurde, ist in härtesten politischen Beton gegossen: Reichen für eine Verfassungsänderung auf nationaler Ebene eine 2/3-Mehrheit im Parlament und gegebenenfalls eine Volksabstimmung, braucht es für Änderungen des EU-Primärrechts die Verfassungsmehrheit von 27 Parlamenten und 27 Regierungen – gleichzeitig! Das ist faktisch unmöglich, schon gar nicht als Prozess einer Bewegung von unten.

Was also tun? Neoliberalismus, Freihandel und Aufrüstung auf Generationen? Gerade für jene, die zwar die EU aus sozialen, ökologischen und friedenspolitischen Gründen kritisiert aber an ihre Reformierbarkeit geglaubt haben, wäre das Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages ein Schlag ins Gesicht. Sie stehen vor der Wahl: Entweder ein paar Generationen lang dem Phantasma einer „anderen“ (sozialen, ökologischen,…) EU nachzulaufen, die es auf der Grundlage dieses Vertrages nicht gibt, oder aber eine realistische Perspektive ins Auge zu fassen: den Austritt aus dieser Union der Konzerne und Generäle.

Auch das ist ein steiniger Weg, der nicht von heute auf morgen durchgesetzt werden kann, aber es ist eine realpolitische Perspektive – umzusetzen mit einer Abstimmung im Parlament und einer Volksabstimmung. Vor allem ist diese Perspektive notwendig, um in den aktuellen Kämpfen gegen Sozialabbau, Privatisierung, Entdemokratisierung und Aufrüstung nicht die Vorgaben und Tabus der EU-Verträge zum Tellerrand der eigenen Politik zu machen.

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Boris Lechthaler